e-Genius
Erstflug des Elektroflugzeuges e-Genius,
zugelassener Teilnehmer am Green Flight Challenge der CAFE-Foundation 2011, USA
Kurzfassung:
Teilnehmer: Universität Stuttgart, Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik und Geodäsie,
Projektleitung: Prof. Rudolf Voit-Nitschmann, Len Schumann, Steffen Geinitz.
Prototypenbau: Karl Käser
Hauptsponsor des Projektes ist AIRBUS. Projekt-Partner sind PIPISTREL d.o.o., Slowenien, SCHEMPP-HIRTH Flugzeugbau GmbH, die Steinbeis Flugzeug u. Leichtbau GmbH und die DG Flugzeugbau GmbH.
Das Elektroflugzeug e-Genius der Universität Stuttgart startete am Mittwoch, 25.05.2011, 17:58 Uhr am Werksflugplatz der Fa. GROB AIRCRAFT AG in Mindelheim-Mattsies souverän zu seinem Erstflug. Testpilot Steffen Gemsa von der DLR Oberpfaffenhofen eröffnete das Flugerprobungsprogramm mit der Überprüfung der Flugeigenschaften und ersten Tests des elektrischen Antriebssystems. Nach Aussagen des Testpiloten ist die Handhabung des Flugzeuges, das mit einem 60 kW Elektromotor im Seitenleitwerk ausgestattet ist, einfacher als erwartet. In den nächsten Tagen sind weitere Testflüge geplant um erste Leistungsdaten zu erfliegen und die geforderten 40 Flugstunden vor Beginn des Green Flight Challenge (GFC) in den USA zu absolvieren. Der von der NASA mit 1,5 Mio. US $ dotierte GFC 2011 erfordert während eines Wettbewerbes den Nachweis, dass die Wettbewerbs- Flugzeuge als Energieäquivalent weniger als 1 Liter Treibstoff pro 100 km und pro Passagier verbrauchen. Weiterhin muss dabei eine Strecke von 200 Meilen ( 320 km) zurückgelegt werden mit einer Mindestgeschwindigkeit von 100 Meilen/h (160 km/h). Der Wettbewerb findet vom 7. bis 10. Juli 2011 in Kalifornien (USA) statt. E-Genius ist in der Lage diese Leistungs- Anforderungen zu erfüllen.
e-Genius ist ein speziell für den effizienten Elektroflug neu entwickeltes und multidisziplinär optimiertes zweisitziges Flugzeug in Kohlefaser-Kunststoffbauweise. Ausgestattet mit einem 60 kW-Elektromotor erzielt das Flugzeug eine Reichweite von bis zu 400 km. e-Genius verbraucht dabei nur 4,75 kWh (entspricht 0,6l Benzin) pro 100 km und pro Passagier. Das Team um Prof. Voit-Nitschmann war 2006 der Sieger des Berblinger- Wettbewerbs der Stadt Ulm mit dem Projekt Hydrogenius. Für den GFC 2011 wurde Hydrogenius mit einem Batteriesystem ausgerüstet und ist nun unter dem Namen „e-Genius“ als Teilnehmer für diesen Wettbewerb nominiert und zugelassen.
1. Innovationsgrad e-Genius
Das wichtigste Ziel des Projektes war, kompromisslos die Leistungsfähigkeit eines modernen Elektroflugzeuges zu demonstrieren. Dies bedeutet, dass keine Abstriche bzgl. der Flugleistungen akzeptiert werden sollten. Die Flugleistungen müssen mindestens vergleichbar sein mit dem heutigen Stand der Technik. Die Anforderungen an die Hydrogenius-/e-Genius Plattform waren:
§ Hocheffizientes elektrisches Antriebssystem
§ Zweisitzig
§ Reisegeschwindigkeit zwischen 140km/h und 235 km/h
§ Reichweite mehrere Hundert Kilometer, abhängig vom Energiespeichersystem
§ Max. Abflugmasse 850kg entsprechend cs22
§ Startstrecke kleiner 600m entsprechend cs22
§ Größe und Handhabungseigenschaften vergleichbar zu existierenden Touring-Motor- Seglern.
Deshalb wurden für die Realisierung von e-Genius vollkommen neue Wege beschritten.Der Hauptunterschied zu anderen Elektroflugzeugprojekten besteht darin, dass e-Genius unter der Prämisse der optimalen Integration des gesamten elektrischen Antriebsstranges vollkommen neu entworfen wurde. Dies erfolgte durch eine multidisziplinäre Optimierung des Entwurfes:
· Integration des Antriebes in das Heck, dadurch 15%-20% besserer Gesamtantriebswirkungsgrad (langsam drehender Propeller, 2,2 m Durchmesser) und Widerstandseinsparung bei der Rumpfumströmung
· Heckantrieb ermöglicht kompaktes und leichtes Einziehfahrwerk
· Ungestörte Sicht nach vorn
· Extreme Leichtbauweise in Kohlefaser-Sandwich
· Side byside Cockpit für bestmöglichen Komfort und Bereitstellung von Stauraum hinter den Piloten für den Energiespeicher
2. Innovationsgrad des Antriebes:
Das Antriebssystem der Hydrogenius-Plattform und im speziellen der am GFC teilnehmenden e-Genius Version ist besonders unter den Anforderungen des elektrischen Fliegens entworfen, ausgelegt und gefertigt worden.
Gemäß dem Plattformgedanken sind der Elektromotor und der Umrichter als Vortrieb erzeugende Einheit direkt für den Hydrogenius/e-Genius entworfen respektive angepasst worden. So sucht der von der Firma Sineton in Slowenien entwickelte und gebaute Motor mit seinem Gewicht von 27 kg bei einer Dauerleistung von 58 kW bei 2500 U/min und einer Spitzenlast von bis zu 100 kW nach seinesgleichen. Der wassergekühlte Motor liefert dabei ein Spitzenmoment von 400 Nm. Dabei ist der mit seinem Außendurchmesser von 25 cm und einer Länge von 28 cm eher unscheinbar. Der Motor ist aber kein Einzelstück sondern kann durchaus käuflich erworben werden, so dass nicht nur das Institut für Flugzeugbau davon profitiert.
Bereitgestellt wird die Energie für den permanenterregten Synchronmotor von einem Semikron Umrichter. Der Umrichter ist wie auch der Elektromotor wassergekühlt. Dadurch kann die Verlustwärme gezielt abtransportiert werden und über einen Wärmetauscher effizienter abgegeben werden.
Der Wirkungsgrad von Umrichter und Elektromotor zusammengenommen erreicht Werte von bis zu
95 % über einen weiten Einsatzbereich und selbst unter Volllast noch über 90 %.
Ergänzt wird der Teil des Antriebssystems, der direkt für den Vortrieb zuständig ist durch einen eigens für die Hydrogenius-Plattform entwickelten Propeller. Dieser wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut für Aerodynamik und Gasdynamik der Universität Stuttgart entwickelt und mit Unterstützung der SFL-GmbH gebaut. Der große Geschwindigkeitsbereich, den die Hydrogenius-Plattform/der e-Genius abdeckt, wurde dabei schon im Entwurfsstadium durch die konsequente Auslegung als Verstellpropeller berücksichtig. Gleichzeitig konnte durch die Position im Heck der Durchmesser, verglichen mit konventionellen Flugzeugen dieser Größenordnung, deutlich vergrößert werden. Dies wirkt sich über die geringe Kreis-Flächenbelastung signifikant auf den Propellerwirkungsgrad aber auch durch die geringe Umdrehungszahl positiv auf die Lärmemissionen aus. Derzeit liegen hierfür allerdings nur durch aufwendige Strömungssimulationen erzeugte Kennwerte vor, diese lassen jedoch schon jetzt auf beeindruckende Leistungsdaten schließen.
Als Konsequenz aus der Konfiguration, der Antriebssystemintegration und der Antriebsausführung wurde ein äußerst umweltverträgliches und sicheres Flugzeug entwickelt. Die Umweltverträglichkeit basiert dabei vor allem auf der konsequenten Durchführung eines multidisziplinären Entwurfes bei dem sowohl die Flugzeugkonfiguration als auch das Antriebssystem mit in den iterativen Prozess integriert wurden und gemäß dem Prinzip „form followsfunction“ auf gängige Konventionen verzichtet wurde.
Einen Großteil der Effizienz verdankt das Flugzeug daher der aerodynamischen Auslegung. Weiterhin wird durch den überdurchschnittlich großen Propeller die Energie effizienter umgesetzt und das Antriebssystem arbeitet durchgehend auf einem Wirkungsgradniveau von über 90%. Dies spiegelt sich nicht zuletzt in einem geringen Energiebedarf wieder. Wird der Verbrauch auf das Benzinäquivalent umgerechnet, so liegt der Verbrauch des e-Genius bei 0,6 Litern Benzin pro 100 km und Passagier und das bei einer Reisefluggeschwindigkeit von 120 km/h.
Darüber hinaus emittiert der e-Genius keine Schadstoffe sowie nahezu auch keinen Lärm. Während ersteres natürlich abhängig von der Erzeugung der Energie ist und nicht durch das Flugzeug beeinflusst werden kann ist letzteres direkt auf den großen Propeller zurückzuführen.
3. Bedeutung für die zukünftige Entwicklung in der allgemeinen Luftfahrt
Die wesentliche Bedeutung von e-Genius besteht darin, dass das Flugzeug speziell für den Elektroflug entwickelt und optimiert wurde. Nur dadurch ist es möglich, die Vorteile des Elektroantriebes zu nutzen und den Nachteilen mit entsprechenden konstruktiven Maßnahmen zu begegnen. Entwurfsstudien, die im Rahmen des Projektes durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass eine Umrüstung einer konventionellen Flugzeugkonfiguration auf Elektroantrieb eine etwa 15% bis 20% schlechtere Energieeffizienz aufweist als das Konzept e-Genius. E-Genius repräsentiert somit einen kompromisslosen Ansatz, umweltfreundliches und wirtschaftliches Fliegen mit dem heutigen Stand der Technologie zu realisieren. Die Erprobung von e-Genius soll das Konzept bestätigen und wichtige Daten liefern für angedachte zukünftige Serienprodukte. Ein wesentlicher Aspekt hierbei ist es auch, die Unzulänglichkeiten und Schwächen zu ermitteln, um diese bei zukünftigen Serienprodukten zuvermeiden. Ein weiterer wichtiger Beitrag besteht in der Erarbeitung der Zulassungsgrundlagen und der Durchführung exemplarischer Zulassungen dieser neuartigen Fluggeräte gemeinsam mit den Luftfahrtbehörden.
Somit können die Projektbeiträge für den GFC 2011 Vorläufer für eine zukünftige Generation von elektrisch getriebenen, umweltfreundlichen Serienflugzeugen darstellen. Vor allem im Bereich der allgemeinen Luftfahrt lässt sich das rein elektrische, umweltfreundliche, wirtschaftliche Fliegen viel eher verwirklichen, als bei größeren Flugzeugen. Die Flugstatistiken zeigen, dass in diesem Flugsegment meist größere Pausen zwischen den einzelnen Flügen liegen und diese Flugzeuge vermehrt am Wochenende betrieben werden. Dadurch ist es möglich, beispielsweise mit Solardächern auf den Flugzeughangars die Batterien in den Zwischenzeiten wieder aufzuladen und somit das Fliegen mit rein regenerativen Energien zumindest im Freizeitbereich zu 100% zu erzielen.
4. Praxistauglichkeit
Die Flugeigenschaften sind so ausgelegt, dass jeder durchschnittliche Pilot in der Lage sein solltee-Genius zu fliegen. Die ergonomische Sitzposition und die uneingeschränkte Rundumsicht erhöhen den Flugkomfort und auch die Flugsicherheit.
Das Flugzeug wurde in Übereinstimmung mit der Bauvorschrift CS 22 in der Kategorie „U“ (Utility) entwickelt und gebaut. Die Flugleistungen werden mit existierenden modernen Reisemotorseglern mit konventionellem Antrieb vergleichbar sein etwa mit denjenigen der Diamond Super Dimona mit 115PS.
Folgende Flugleistungen wurden errechnet:
§ Startstrecke über 15 m Hindernis (MTOW, Asphalt): 460 m
§ Landestrecke über 15 m Hindernis (MTOW, Asphalt): 350 m
§ max. Steigleistung (MTOW): 4,5 m/s
§ Reisefluggeschwindigkeit: 140-235 km/h
§ Reichweite (MTOW, 150 km/h): >400 km
§ 4 Akku-Packs, Energieinhalt insgesamt 56 kWh
5. Wirtschaftlichkeit
Besonders hervorzuheben sind die Verbrauchskosten, diese ergeben sich rein aus der in der Batterie gespeicherten Energie und sind als Kosten abhängig von den jeweils vor Ort abzuführenden Stromkosten. Diese liegen derzeit in Stuttgart für den Hausgebrauch etwa bei 0,22 €/kWh (abhängig vom Provider). Somit ergibt sich für eine „Tankfüllung“ des e-Genius (bei 100%iger Entladung der Batterien) eine Summe von 12,32 €. Um die Lebenserwartung und die Zyklenzahl der Batterie auf einem hohen Niveau zu halten sollte schon bei 80%iger Entladung geladen werden. In diesem Fall belaufen sich die Tankkosten auf 9,86 €. Verglichen mit den Kosten pro Tankfüllung eines konventionellen Flugzeuges ist dies ein Bruchteil der Kosten. Damit kann e-Genius bis zu 4 Stunden und 400 km weit fliegen. Das entspricht minimal 2,45 € pro Stunde Energiekosten. Der Energieverbrauch beträgt weniger als 1/3 der Energie eines konventionellen Reisemotorseglers. Sehr eindrucksvoll kann die Wirtschaftlichkeit von
e-Genius dargestellt werden, indem der Energieverbrauch pro 100 km und pro Passagier angegeben wird. Das ergibt ein Energieäquivalent von ca. 0,6 l Benzin pro 100 km und pro Passagier.